Ty Rufer, sein Flugzeug und ich

Marianne Rufer über ihren Ehemann

Man bat mich, für die Neuauflage der «Gletschermüschterli» meine Erinnerungen an meinen Mann zu Papier zu bringen. Das ist nicht leicht, denn diese würden einen dicken Buchband füllen. Ty, sein Flugzeug und ich waren eine ideal funktionierende Einheit. Er genoss seinen Beruf, der nie zur eintönigen Routine werden konnte. Er liebte es, bei seiner Tätigkeit immer wieder neue, interessante Menschen kennen zu lernen, und neue Freunde zu gewinnen. Die Fliegerei war seine Berufung. Diese Freude brachte er mit nach Hause, und liess mich daran teilhaben. Ich genoss es, wie ich ein Teil seines Lebens sein durfte, wie wir immer für einander da waren, und wie unsere Freizeit, in Zweisamkeit oder im Freundeskreis, immer zum unvergesslichen Erlebnis wurde. Erlebnisse, die wir bei einem anderen Job nie gehabt hätten.

Zwölf Jahre sind seit dem Weggang meines Gatten, verstrichen. Aber an jedem Tag war er bei mir. Die Erinnerung an ein aussergewöhnliches Leben mit einem ganz besonderen Menschen, haben mir all die Jahre Kraft, Mut und Lebensfreude gespendet. Dieser Mann wird in mir und in der Erinnerung der Vielen weiterleben, denen er Hilfe geleistet hat.

Fliegen, retten und helfen war sein Lebensinhalt. Ty’s Piper mit den Skiern und der Immatrikulation HB-ORK war weitherum bekannt «wie ein bunter Hund». Man wusste, dass dieser Pilot meist in wichtiger Mission unterwegs war: er versorgte Leute in schwierigen Situationen mit Lebensmitteln, rettete Verunglückte, barg Tote und schulte den Gletscherpiloten-Nachwuchs. Er fühlte sich verantwortlich für seine Mitmenschen. Sah er auf dem Rückflug von einem Einsatz, dass ein Sturm aufzog, brauste er im Tiefflug über den Thunersee und schickte die Segler nach Hause, indem er kurz das Gas wegnahm und zu den Leuten herunter brüllte «ab nach Hause, ein Sturm kommt!». Man kannte und schätzte die fliegende Sturm­warnung.

Ich erlebte oft bange Stunden, wenn ich wusste, dass Ty wieder einen schwierigen Auftrag zu meistern hatte. Aber ich wusste, mein Mann würde nie leichtfertig handeln. Sicherheit stand für ihn an oberster Stelle. Ich drückte für ihn die Daumen, dass ihm das Schicksal oder das Wetter keinen Streich spielt.

Ein einschneidendes Erlebnis waren für Ty, aber auch für mich, die drei Monate, in denen er im Sudan für Sprühflüge im Einsatz war. Ich war damals nach einer grossen Operation für längere Zeit im Spital. Mein Mann arbeitete im fernen Afrika fast Tag und Nacht. Zu Ende seines Einsatzes konnte ich ihn im Sudan besuchen, und wir erlebten zusammen drei unvergessliche Wochen. Er flog mich zu den Aussenlandeplätzen, wo er gearbeitet hatte – für mich waren es Flüge in eine andere Welt. Nach unserer Rückkehr zeigte es sich, dass Ty ’s Gesundheit angeschlagen war. Operationen wurden nötig. Er arbeitete aber weiter, als wäre nichts gewesen.

Am Tag seines Todes hörte ich, wie Ty mich morgens eindringlich bei meinem Namen rief. Das war ungewöhnlich. Meist rief er mich mit dem Kosenamen «Meite». Ich lief herbei. Er hatte sich inzwischen wieder ins Bett gelegt – aber ich konnte nicht mehr helfen – mein geliebter Mann war von mir gegangen.

Ty Rufer ist nicht mehr unter uns. Sein Werk, sein Geist, seine Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft aber leben weiter. Und in meinem Herz hat mein facettenreicher Mann seinen Platz an erster Stelle, solange ich atme.

Ty Rufer (1923-1991) auf seinem «Hausberg Niesen»

Ty Rufer (1923-1991) auf seinem «Hausberg Niesen»